2. WK

Ein Thema, das mich schon immer sehr interessiert hat, ist die Psychologie des Dritten Reichs, da auch ich selbst die Summe zweier sehr unterschiedlicher Familien bin; die ein kämpfte im Zweiten Weltkrieg, die andere flüchtete, aber keine der beiden Seiten sprach jemals wirklich über das Erlebte. Und gerade deshalb ist es wohl besonders diese Zeit, die mich reizt. Denn wie konnte es sein, dass eine ganze Generation ver- und in den Untergang geführt wurde? Wie viele „böse“ Menschen brauchte es, um die „guten“ in Schach zu halten? Und wieso distanzieren wir uns heute so extrem von damals in dem Glauben, besser oder anders zu sein?

Spricht man heute über diese Zeit, dann fällt oft der Satz Sie sind alle schuld, sie haben ja nichts dagegen getan, gerne auch begleitet von Also ICH hätte da ja nicht mitgemacht! Aber sind wir doch mal ehrlich, das ist zu einfach. Massenverführung ist ein Phänomen, dass es schon lange vorher gab und auch heute noch gibt. Wir glauben gerne anders, aufgeklärter zu sein als die Generation damals, aber was könnten wir denn heute tun? Wie könnten wir etwas gegen das unternehmen, was um uns herum passiert?

Ich glaube, dass Menschen leider prinzipiell dazu neigen, sich in der Masse zu verstecken. Es ist leichter ein Unrecht zu ertragen, wenn man es auf vielen Schultern ablegen kann, als wenn man ihm alleine gegenübersteht. Anonymität ist ein wichtiger Teil des Ganzen, wenn wir Fotos aus alten Zeiten sehen, dann sehen wir keine Individuen, wir sehen eine Bewegung.

Mein eigener Großvater während des RAD

Aber auch diese Menschen haben Geschichten. Sie waren stolz, hatten Angst, glaubten an etwas. Sie waren keine Masse, sie waren nur ein Teil davon. Und um auch mich selbst endlich besser verstehen zu können, vielleicht sogar die ganze „Generation Kriegsenkel“, begann ich irgendwann diese Geschichten zu sammeln. In zahllosen Stunden besuchte ich Zeitzeugen zu Hause und in Pflegeheimen, sowohl im In-, als auch im Ausland. Ich sammelte jeden kleinen Schnipsel Information, den ich bekommen konnte. Doch ging es mir dabei nie um Daten, große Ereignisse oder kriegsentscheidende Taten, sondern ganz simpel um den Alltag. Wie lebten die „kleinen“ Soldaten, diejenigen, die im Dreck des Schützengrabens ausharren mussten? Wie ihre Frauen zu Hause, in der Angst um ihre Männer? Und wie die Kinder, die das alles noch gar nicht richtig erfassen konnten?

Viele dieser Fragen kann ich immer und immer wieder neu beantworten, denn wie gesagt, kein Mensch ist gleich. Mittlerweile nutze ich deshalb auch Feldpostbriefe, um ein unverfälschtes Bild von dem zu bekommen, was damals wirklich geschah. Diese Briefe geben einen sehr intimen Einblick in das Leben der Menschen und sind geprägt von den Persönlichkeiten der jeweiligen Briefeschreiber. Ich möchte damit aber weder rechtfertigen noch jemanden entschuldigen, ich nehme auch den Einzelnen nicht aus seiner Verantwortung. Ich möchte lediglich erklären und warnen, denn wie schon George Santayana sagte: Wer sich nicht seiner Vergangenheit erinnert, ist verurteilt, sie zu wiederholen!

Und ich möchte einfach nicht, dass sich diese Geschichte wiederholt, nicht in der gleichen, und auch in keiner ähnlichen Form, deswegen bewahre ich sie. Nicht die, die wir schon alle kennen, sondern die Unbemerkte, die sich währenddessen, fast nebenbei, abgespielt hat. Die Geschichte des Soldaten, dem die Füße abfroren, die der Mutter, die wochenlang Kartoffeln sammelte, damit ihr Sohn im Urlaub etwas zu Essen bekommt und die der Schwester, die ihren Bruder vermisste, weil sie alleine nicht mit Puppen spielen wollte.

Wer nun Lust hat es mir gleich zu tun und sich für das Schicksal eines Menschen zu dieser Zeit interessiert, der kann es gerne in einem meiner Bücher verfolgen! Der möge sich Zeit zum Stöbern nehmen, sich die Leseproben vornehmen und sich dann den Menschen raussuchen, der ihm am meisten zusagt. Der sei mein Gast auf einer kleinen Zeitreise: